Der we(h)r(t)lose Nationalpark

Früher schallte zurück, was man in den Wald hinein rief - heute verliert sich dieser Ruf an einzelnen, vergessenen Bäumen. Vergessen wurde auch, dass man einst darum kämpfte, solch ein bedeutendes Refugium zum Nationalpark zu machen. Und als am 25. Juni 2011 die UNESCO den Nationalpark Jasmund mit seinem Buchenwald als "Weltnaturerbe" anerkannte, glaubte man, dass auch der letzte Bürger diesen Naturschatz zu würdigen weiß. Irrtum!
Die Abholzung im Park und ringsum hat so verheerende Ausmaße erreicht, die nur noch als Verbrechen an der Natur und an der Menschheit gewertet werden können. Der Paragraf, der eine "Verkehrssicherung" fordert, wird ausgenutzt, um jeden beliebigen Baum zu entfernen. Selbst in der Brutzeit der Tiere, wird gerodet.
Jeder Pfad, jeder noch so kleine Weg muss vor "eventuell" umfallenden Bäumen bewahrt werden - und da werden ganz "großzügig" die umher stehenden Bäume gleich mit entfernt. Selbst unmittelbar an Steilufern stehende Bäume, die mit ihren Wurzeln des Ufer verankern und schützen, werden gefällt.
Das ist ein Bild, das bei mir eine Gänsehaut auslöst. Aus Entsetzen darüber, dass hier das schönste Stück Wald gefällt wurde, weit ab von jeglichen Wegen. Hier kann nicht die "Wegesicherung" als Alibi herhalten, hier war es Gnadenlosigkeit gegenüber der Natur und gegen die Menschen, die den Wald zur Erholung, als Sauerstoff-Lieferanten und als Schönheitssymbol brauchen. Das Bild zeigt den Hügel, der zur Kreideküste und zum ersten Strandabschnitt der Kreideküste führt. Die uralten Bäume, die mit ihren riesigen Wurzeln vor Auswaschungen der Steilküste beitrugen, sind gefällt worden, so dass der nächste Sturm den Restbestand der Buchen umwerfen wird.
Die immer mehr werdenden Stürme haben es nun noch leichter, die Erde unserer Insel abzutragen. Wenn ein Pilzsucher, Wanderer oder Fotograf ein paar Meter vom Weg abweicht, wird er mit unglaublich überspitzten Bußgeldern bestraft und die schwersten Maschinen der Baumfäller, die schwerste Schäden verursachen, bleiben ungesühnt.
Ich bin seit über 50 Jahren auf dieser Insel als Fotograf tätig, habe aber selbst zu DDR-Zeiten keinen so großen Raubbau erlebt. Ich zitiere hier 2 Prominente, deren Aussagen voll auf die Vernichtung unserer Umwelt zutreffen:

"Der moralische Zustand eines Volkes zeigt sich am besten darin,
wie es seine Bäume behandelt".
"Erwin Chargaff

Dass sich die Zerstörer der Umwelt als ihre Hüter aufspielen,
gehört heute zur politischen Routine.
H.M. Enzensberger

Ich fordere alle Verantwortlichen auf, alles zu tun, dass Nationalparks den Schutz bekommen, den sie verdienen! Der Paragraf betr. Verkehrssicherung muss schnellstens überarbeitet werden. Zuwiderhandlungen - auch der "Verantwort-lichen" - müssen gesühnt werden. Der Schaden, der durch den Missbrauch der Verkehrssicherung Tag für Tag entsteht, kann nicht wieder gut gemacht werden. Jede gefällte Buche bringt uns den Sauerstoff, den eine ganze Familie ein Leben lang braucht. Und da sie 200 Jahre leben könnte, würden weitere Generationen von ihrem Sauerstoff profitieren.

April 2017