Der Todessturz des Königsstuhls

Sie haben es längst beschlossen, dass eines der weltweit schönsten Natur-Denkmäler, der Kreidefelsen auf der Insel Rügen, mehr Profit einbringen muss - und das gleichzeitig die Besucherzahl von jährlich 300.000 Touristen gedrosselt werden muss.
Ob Regierung, Tourismusverband, die Stadt Sassnitz, National Park oder WWF - sie brauchen alle Geld - und wie (fast) immer hört bei Geld jede Freundschaft auf und wenn es "nur" um die Natur geht, gibt es "natürlich" auch keine Rücksichtnahme! Noch nicht einmal der NABU hat dagegen Stellung bezogen.
Ein mit langer Hand vorbereiteter Alternativ-Bauplan (zur nicht finanzierbaren Treppe) wurde aus dem Ärmel gezaubert, der ein - schon abgestimmtes - und bewilligtes Volumen von 7 Millionen Euro umfasst, natürlich von Steuergeldern (genannt Fördergelder), da sie vor allem deren Verschwendung fördern.
Der Nationalpark Jasmund, um den es hier geht, kann stellvertretend für den "Missbrauch der Natur" stehen. Der herrliche Buchenwald ist wegen der Verkehrssicherheit großzügig abgeholzt worden. Und jetzt kommt der Angriff (staatlich sanktioniert) auf die Kernzone dieses National-Parks. Angriff ist das richtige Wort, weil danach nichts mehr so ist, wie es war. Ein riesiger - über 40 Meter hoher Abspannmast hält die Seile, die einen 90 Meter langen und 19 Meter breiten Laufsteg tragen. Die technischen Parameter, die ich hier nennen muss, sollten jedem Normalverbraucher, Häusle-Bauer und Naturliebhaber den Schlaf rauben! In den lehmartigen Untergrund der Kreideküste werden nun 60 Meter tiefe Bohrlöcher getrieben, die von schwersten Erschütterungen begleitet werden. Niemand weiß, ob dadurch nicht das ganze Kreidemassiv ins Rutschen kommt und der Königsstuhl als Mure in die Ostsee stürzt. Käme es dazu, wäre "natürlich" niemand verantwortlich. Notfalls geht man in Insolvenz.
Alle Versuche, dieses Gigantismus-Objekt zu verhindern, brachten uns nicht weiter. Das Komplott der o.g. Nutznießer hat saubere Arbeit geleistet - und alle demokratischen Regelungen umschifft.
Auf unsere Hinweise betr. vernachlässigtem Oberflächenwasser, das die Kreide aufweicht, auf die skandalösen Baumfällungen - Bäume, die jetzt den Regen nicht mehr mit ihren Wurzeln aufnehmen können, die lächerlichen Argumente der Wegesicherung u.v.a. wurde nie eingegangen. Kein Wort dazu, dass der Bau im Kerngebiet des Nationalparks entsteht, kein Wort dazu, dass wieder 200-jährige Bäume sterben werden, wo der Bürger keinen Grashalm abpflücken darf.
Wenn jetzt die UNESCO nicht handelt, ist eine der markantesten Naturschönheiten der Welt für immer verloren! Der Rügener Königsstuhl ist mehr als ein Symbol, er bringt uns die Liebe zur Natur nahe - und so manche Stunde verbringen Vater und Sohn - Mutter und Tochter zu Hause mit mitgebrachten Feuersteinen, Hühnergöttern, Seeigeln und Fossilien.
Der Hühnergott ist ein symbolträchtiger Begriff , der in Schweden, auf Hawaii, in Slowenien und Russland Mythen schuf. Vielen ist er auch als Geschenk der Liebe und des Glücks bekannt. Verlassen wir uns aber nicht nur auf diesen Lochstein - der schon beim Finden oft riesige Freude bereitet - appellieren wir an die Vernunft der Politiker und Bauherren.


Der Eingriff in die Natur ist gewaltig, weil Jahrhunderte alte Buchen diesen Waldbestand bilden. Dieses Projekt ist ein Verbrechen an der Natur - und völlig ungeeignet, die Liebe zur Natur zu wecken.
Es ist mir unerklärlich, dass sich für dieses Projekt Natur liebende begeistern. Der enorme Millionen-Bau würde sich nicht rentieren, wenn das Eintrittsgeld nicht dem entsprechend hoch wäre. Hinzu kommt, dass alle Projekte dieser Art störanfällig sind und hohen Aufwand bedürfen. Dieses Geld fehlt dann - und in Anlehnung an den Grümbke-Turm ist dann kein Geld für die Wartung des Zyklon-Monsters vorhanden. Es ist ein Prestige-Möchtegern-Projekt, das auf wackligem Untergrund steht und das Landschaftsbild zerstört.
Liebe Freunde der Natur - last, Euch den Aufstieg am Königsstuhl nicht nehmen, lasst Euch die Wanderung an der Kreideküste nicht vermiesen.
Die Politiker kommen und gehen - die Kreide bleibt uns bestehen!

Was Behörden so zulassen und anordnen: Der We(h)r(t)lose Nationalpark

P.S: Es gibt Hoffnung, dass der unselige Paragraf der Verkehrssicherung eine naturgemäße Auslegung erfährt.
OLG Frankfurt.a.Main 13U111/17
Das Gericht erklärte, dass es keine Verkehrssicherungspflicht für waldtypische Gefahren gibt!!! Das dürfte auch dem NP Jasmund die Lust auf Baumjagd vermiesen.


Klaus Ender, Naturfotograf, Buchautor

Mai 2018